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#Klimapolitik
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Energieperspektiven überziehen unser Budget bei weitem

Das Bundesamt für Energie (BFE) hat am Donnerstag seine Energieperspektiven 2050+ publiziert. Sie bilden die Grundlage für die Planung der künftigen Energiepolitik.

Netto null ist machbar

Die Energieperspektiven zeigen: Eine Energieversorgung mit netto null CO2-Emissionen bis 2050 ist machbar. Dazu braucht es aber politische Massnahmen: In einem Weiter-wie-bisher-Szenario, das ebenfalls gerechnet wurde, würden die Emissionen dank technischen Fortschritten zwar sinken, aber nur um 30 Prozent. Der technische Wandel allein wird uns nicht retten.

Schweiz verfehlt 1,5-Grad-Ziel

Aber genügt es, wenn die Schweiz ihre Emissionen so senkt, wie es den Energieperspektiven entspricht? Die wichtigste Zahl, um das zu beurteilen, fehlt in den publizierten Unterlagen: die kumulierte Menge Treibhausgase, welche die Schweiz bis 2050 ausstossen wird. Die Zahl lässt sich aber aus den mitgelieferten Daten errechnen. Das Resultat ist ernüchternd: Die Energieperspektiven sind nicht im entferntesten kompatibel mit dem Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen – und  verstossen somit gegen das Übereinkommen von Paris. Laut dem 1,5-Grad-Bericht des Klimarats IPCC betrug das globale Budget an CO2, das insgesamt noch ausgestossen werden darf, Anfang 2018 420 Milliarden Tonnen. Spricht man der Schweiz ein Tausendstel davon zu, weil ein Tausendstel der Weltbevölkerung hier lebt, ergibt das 420 Millionen Tonnen (Mt). Laut den Energieszenarien wird die Schweiz ab 2018 aber netto über 900 Mt CO2-Äquivalente ausstossen – ohne internationalen Luftverkehr. Dieser stösst nochmals 160 Mt CO2 aus; dazu kommt eine ähnlich hohe Klimawirkung anderer Bestandteile der Flugzeug-Abgase.

Suffizienz nicht berücksichtigt

Laut dem IPCC braucht es «Systemübergänge in allen Bereichen der Wirtschaft», um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Heisst das, dass eine 1,5-Grad-verträgliche Energieversorgung doch nicht möglich ist? Nein: denn die Vorgaben, mit denen die Energieperspektiven gerechnet wurden, sind alles andere als ambitioniert. So ist in den publizierten Unterlagen viel von Fahrzeugtechnik die Rede, nicht aber von einer Verkehrspolitik, welche die Zunahme der Verkehrsleistungen stoppen könnte. Das Verkehrswachstum wird hingenommen, als wäre es ein Naturgesetz. Strategien der Suffizienz kennen die Energieperspektiven nicht, setzen aber handkehrum stark auf Techniken zum Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre – Techniken, deren Potenzial ungewiss ist. Laut dem IPCC braucht es «Systemübergänge in allen Bereichen der Wirtschaft», um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die Energieperspektiven aber betrachten die Welt nicht systemisch, sondern technokratisch.

Eine umweltverträgliche Energieversorgung: so steht es in der Verfassung

2050, schreibt das BFE in seiner Medienmitteilung, solle «eine sichere, saubere, bezahlbare und weitgehend inländisch produzierte Energieversorgung gewährleistet sein». Das müsste eine Selbstverständlichkeit sein, denn so steht es in der Bundesverfassung: «Bund und Kantone setzen sich ein für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung». Die Bundesverfassung gilt nicht erst ab 2050.

Charles Juillard
Ständerat Die Mitte
«Dank der technologischen Fortschritte und der Innovation wird der Kampf für das Klima unsere Lebensbedingungen erhalten und Arbeitsplätze sowie Wohlstand schaffen. Unsere Zukunft hängt davon ab.»